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 Themenschwerpunkt Geschichtsbild der DDR 
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die Ausstellung in der ehemaligen Pathologie der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen

Die Aussellung enthielt erschreckend wenig Informationen. Über die "reguläre" medizinische Versorgung der Häftlinge wurde nichts ausgesagt. Man erfuhr in kurzen Sätzen, dass es medizinische Versuche gab, aber nichts zu deren Hintergründen, von denen auch nur wenige exemplarisch erwähnt worden sind.

Statt dessen nutzte man die Pathologie als ein Instrument der Propaganda gegen Westdeutschland. Man muss sich vergegenwärtigen, dass entsprechend dem Geschichtsbild Faschismus als übersteigerte und pervertierte Form des Kapitalismus interpretiert wurde, die Bundesrepublik als kapitalischer Staat somit faschistisch sei. Diese Aussage war in den anderen, für die Gedenkstätte wichtigeren, Ausstellungen immer wieder zu finden und einseitig hergeleitet worden (siehe meine Ausführungen hier über die alte Ausstellung im Lagermuseum, über das "Museum des Widerstandskampfes und Leiden des jüdischen Volkes" und über das "Museum des antifaschistischen Freiheitskampes der europäischen Völker").

Um das Feindbild "Bundesrepublik" propagandistisch aufzuladen, wurde nicht über den historischen Ort informiert. Man stelle die offensichtlich grausamsten Verbrechen anhand von Fotos aus dem KZ Buchenwald aus. Dabei hätte die Information über die "üblichen" Verbrechen im Krankenrevier Sachsenhausen durchaus ausgereicht.

Statt dessen zeigte man extreme Verbrechen aus Buchenwald. Das waren u. a. tätowierte Haut ermordeter Häflinge, Schrumpfköpfe sowie ein Lampenschirm, der aus tätowierter Menschenhaut angefertigt worden sein solle. Wenn diese Utensilien, hergestellt aus ermordeten Häftlingen, tatsächlich existierten, dann stammten sie aus dem KZ Buchenwald und waren eine, wenn auch extreme, Ausnahmeerscheinung. Lediglich die tätowierten Hautpräparate hat es in einer größeren Anzahl gegeben. Ebenso fehlte selbstverständlich nicht der Hinweis, dass man von den Ermordeten auch deren Reste wie Haare verwertete.

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Es gab im Raum zwei Sektionstische mit zwei Vitrinen. In den Vitrinen wurde medizinisches Besteck ausgestellt, das nicht aus Sachsenhausen stammte. Oben über die Vitrine die Schautafel mit den Fotos aus Buchenwald. Der Text lautet:

"Hautteile mit Tätowierungen wurden gegerbt und zu Gegenständen (Bucheinbände, Taschen, Etuis) verarbeitet. Schädel mit makellosem Gebiss wurden besondere Andenken für die entmenschten SS-Führer. Für die Institute der SS-Rassesiedlungshauptämter wurden Skelettsammlungen geliefert."

Bei der Befreiung des KZs Buchenwald wurden zwei Schrumpfköpfe und ein Lampenschirm präsentiert. Dieser Lampenschirm war nachweislich ein handelsüblicher Lampenschirm.

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Hier wurden die Verbrechen der SS aus dem KZ Buchenwald der Öffentlichkeit, insbesondere auch den Weimarern, präsentiert. Hautpräparate, Skelette und Organe sind zu Lehrzwecken an anatomische Institute versendet worden, diese kamen nicht nur aus Buchenwald. Der Lampenschirm ist ein handelsüblicher, die beiden Schrumpfköpfe könnten tatsächlich von Häftlingen stammen, der linke diente als Beweisstück vor dem Nürnberger Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher.

Der Lampenschirm und andere Gegenstände aus Menschenhaut (Bucheinbände u. ä.) sowie die Schrumpfköpfe werden gemeinhin Ilse Koch zugeschrieben, Ehefrau des KZ-Kommandaten von Buchenwald. Allerdings waren selbst in den alliierten Folgeprozessen diese Gegenstände im Verfahren gegen Ilse Koch umstritten. Der General Lucius Clay hatte im Juni 1948 das Urteil gegen Ilse Koch deutlich reduziert, da es es keine hinreichenden Beweise gebe, dass Ilse Koch diese Gegenstände besessen habe bzw. hat anfertigen lassen.

In der alten Ausstellung in Sachsenhausen wurde im Sektionsraum namentlich Dr. Viktor Lewe genannt und suggestiv in Verbindung mit diesen Verbrechen gebracht. Lewe selbst war ab August 1940 bis Mitte April 1941 als Pathologe in Buchenwald tätig, danach ein Jahr im KZ Sachsenhausen(1). Karl Koch war eineinhalb Jahre Lagerkommandant in Sachsenhausen, bevor er im Sommer 1937 nach Buchenwald ging.

Präparate mit tätowierter Haut und eine nicht gerade geringe Anzahl von Skeletten wurde zu "Forschungszwecken" und als Lehrmaterial an Institute versendet, auch aus Sachsenhausen. Wieviel Präparate und welche in Sachsenhausen angefertigt worden sind, ist unbekannt. Sachsenhausen besaß eine eigene Skeletiermaschine, so daß man durchaus von einer größeren Anzahl ausgehen kann.(2)

Die genannten Alltagsgegenstände (Taschen, Etuis, Bucheinbände) hingegen wurden im KZ Buchenwald angefertigt und waren Einzelstücke.

Aufgrund von Zeugenaussagen scheint es solche Gegenstände vereinzelt gegeben haben. So wird berichtet, dass 1941 ein Lampenschirm in Arbeit gewesen sei und man unter den tätowierten Hautpräparaten nach geeigneten Motiven gesucht habe. Die fertig gestellte Lampe, dessen Fuss aus menschlichen Knochen hergestellt sein soll, wurde dem Kommandanten auf seiner Geburtstagsparty übergeben und ein voller Erfolg gewesen sein. Die Lampe verschwand, als höhere SS-Führung davon erfahren habe. Auch SS-intern wurde gegen Koch wegen Korruption ermittelt, die Lampe und andere Gegenstände waren nicht gefunden worden. Karl Koch, der Kommandant von Buchenwald, wurde noch im April 1945 wegen Korruption von der SS hingerichtet, das Urteil wurde Ende 1944 verkündet.(3)

Im Nürnberger Prozeß gegen die Hauptkriegssverbrecher wurden als Beweisstücke Fotos tätowierter Haut vorgelegt sowie ein Schrumpfkopf im Original, der, ebenso wie der zweite, von polnischen Häftlingen stammen soll, beide inhaftiert wegen einer Beziehung zu einer deutschen Frau.(4)

Ein ehemaliger Häftling übergab der Gedenkstätte Buchenwald in den 50ern Jahren einen kleinen Lampenschirm, womöglich dieser, der auf der Schautafel abgebildet ist. Es hatte sich aber heraus gestellt, dass dieser nicht aus menschlicher Haut hergestellt ist, dementsprechend wurde er aus der Dauerausstellung nach dem Ende der DDR entfernt.(5)

Wägt man die Zeugenaussagen gegenüber den zunächst nicht vorhanderen Utensilien ab, scheint es die Gegenstände gegeben zu haben, eine personelle Zuordnung scheint dagegen schwierig zu sein, natürlich hat die betroffenen Ilse Koch die Existenz der Gegenstände geleugnet.

2020 hatte man in der Gedenkstätte Auschwitz ein Fotoalbum entdeckt, dessen Einband aus menschlicher Haut besteht. Das Album soll ein SS-Angehöriger als Andenken seinerzeit den Besitzern eines Gästehauses in Bayern übergeben haben.(6)

Diese Gegenstände scheint es demzufolge tatsächlich vereinzelt gegeben zu haben. Diese aber so unkommentiert aus Buchenwald zu übernehmen und die Ausnahme zur Regel zu machen, erfüllt eine politische Aufgabe. Hier wurde Feindbildpropaganda betrieben, denn zur Aufklärung hätte es ausgereicht, auf das "Übliche" hinzuweisen und damit auch auf das Bekannte. Für die Verwendung der Hautpräparate, Organe, Skelette usw. gab es schon damals hinreichend Belege. Warum also die Darstellung extremer Verbrechen aus dem KZ Buchenwald?

Der Feind war der (kapitalistische) Westen bzw. die Bundesrepublik, die auf diese Weise verächtlich gemacht und propagandistisch aufgeladen wurde mit der Darstellung übelster Grausamkeiten. Unterstrichen wurde dies noch mit entsprechendem Vokabular. Im kurzen Ausstellungstext über Viktor Lewe wurde die Vokabel "entmenscht" verwendet, um die Täter zu charakterisieren. Hier ist es zwingend notwendig, sich die ausführlicheren Ausstellungen inhaltlich vor Augen zu führen und den Hauptbesucherweg vom "Museum des antifaschistischen Freiheitskampfes der europäischen Völker", über das Lagermuseum schließlich zum Mahnmal inhaltlich abzuschreiten. Im Anschluss an das Mahnmal befand sich links an der "Station Z" die Gelegenheit für Trauer, ebenfalls nur mit wenigen, aber immerhin mit historisch eher korrekteren Aussagen versehen. Die Belehrung erfolgte zuerst (im Lagermuseum war die Sprache von "faschistischen Kreaturen"), die Pathologie befand sich am Ausgang des Besucherweges.

Mit solchem Vokabular instrumentalisierte man die Verbrechen des Nationalsozialismus für die Propaganda gegen die "faschistische" Bundesrepublik.

 

(1) Pukrop, Martin: SS-Mediziner zwischen Lagerdienst und Fronteinsatz. Die personelle Besetzung der Medizinischen Abteilung im Konzentrationslager Sachsenhausen 1936 - 1945, (Diss. der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie), S. 569.

(2) Ebd., S. 139.

(3) Vgl. zu den glaubwürdigen Zeugenaussagen die Stellungnahme der Gedenkstätte Buchenwald, online abrufbar, zuletzt eingesehen am 14. 3. 2024, zum Fall Ilse Koch: Przyrembel, Alexandra: Im Bann des Bösen. Ilse Koch- ein Kapitel deutscher Gesellschaftsgeschichte 1933 bis 1970, Frankfurt a. Main 2023, S. 90-99 und 115-117. Über die SS-internen Ermittlungen Pauder-Studer, Herlinde/Velleman, J. David: "Weil ich nun einmal ein Gerechtigkeitsfanatiker bin". Der Fall des SS-Richters Konrad Morgen, Berlin 2017, S. 133ff

(4) Beweisstück PS-3423. Vgl. zu den Aussagen auch [Der Nürnberger Prozeß: Neunzehnter Tag. Donnerstag, 13. Dezember 1945. Der Nürnberger Prozess, S. 3300 (vgl. NP Bd. 3, S. 575-576) http://www.digitale-bibliothek.de/band20.htm ]

(5) siehe Anmerkung 3.

(6) Vgl. den präsentierten Fund auf der Webseite der Gedenkstätte Auschwitz, online abgerufen am 14. 3. 2024, Bericht der israelischen Onlinezeitung "The Times of Israel", online abgerufen am 14. 3. 2024.