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über das ehemalige Lagermuseum der DDR

Heute befindet sich in diesem Gebäude die zentrale Überblicksausstellung der Gedenkstätte Sachsenhausen. Bis kurz nach der Wende befand sich hier ebenfalls die zentrale Ausstellung, die Aufklärung über den historischen Ort spielte allerdings eine untergeordnete Rolle. Statt dessen ging es den Gedenkstätten in erster Linie darum, das antifaschistische Selbstverständnis der DDR zu repräsentieren und zu vermitteln. Die Ausstellung über den historischen Ort war deswegen sehr einseitig und plakativ. Zentrale Elemente des Selbstverständnisses waren:

Für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf den Lageplan

Bereits der Eingang (Raum 1 rechts) suggerierte dem Besucher, dass die Kapitalisten und "die" Industrie den Auftrag für Konzentrationslager gegeben hätten. Am Eingang befand sich eine senkrechte Tafel mit der Überschrift "Die Auftraggeber", darunter vier Bilder deutscher Industrieller: Krupp, Thyssen, Flick und Klöckner. Der Text darunter lautete:
"Der Auftrag: Rücksichtsloser Terror gegen das eigene Volk - Raubkrieg gegen andere Völker. Um den Widerstand der Arbeiterklasse und anderer patriotischer Kräfte zu brechen, wurden Konzentrationslager errichtet. Die Konzentrationslager waren der Inbegriff des faschistischen Terrors."

Hinter dieser Tafel befand sich eine große Karte, die sämtliche Konzentrationslager zeigte, die nach damaligem Wissensstand existiert hatten, unabhängig von ihrem Charakter und der Zeit ihres Bestehens.

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Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Hier wird dem Besucher gleich zu Beginn das im Marxismus typische Geschichtsbild präsentiert. Walter Ulbricht schrieb bereits 1945:

"In der Tat haben vom ersten Tage der Hitlerherrschaft an die großen Bank- und Konzernherren über Staat und Wirtschaft bestimmt."

Ulbricht, Walter: Die Legende vom ,,deutschen Sozialismus'' Ein Lehrbuch für das schaffende Volk über das Wesen des deutschen Faschismus, Berlin 1946, S. 58

Über das Treffen verschiedener Industrieller vor dem renommierten Industrieklub Düsseldorf Ende Januar 1932 schrieb Ulbricht:

"Es war klar;· daß die Herren der Schwerindustrie diesem Programm zustimmten; es war ja ihr Programm."

Ebd., S. 16

Es gab vereinzelte Industrielle und Unternehmer, die Hitlers Auffassungen durchaus positiv aufnahmen, zumal wesentliche Inhalte für diese Klientel stets abgeschwächt wurden. Beispielsweise kündigte Hitler an, dass es im Falle einer Kanzlerschaft nicht zu gewaltsamen Judenverfolgungen komme.(1) Bedenken konnten auf solchen Zusammenkünften aber nicht zerstreut werden, denn die NSDAP hatte im Vorfeld in Augen der Unternehmer zu häufig Streiks unterstützt.(2)

"Es gab Ausnahmen wie zum Beispiel Fritz Thyssen, aber im allgemeinen sahen vor allem die Besitzer von kleinen und mittelständischen Betrieben in der NSDAP eine zunehmend attraktive Alternative. [...] Die Geschichte, die der spätere Pressechef Otto Dietrich in seinen Memoiren in Umlauf setzte, daß Hitler in der zweiten Jahreshälfte 1931 pausenlos mit seinem Mercedes durch Deutschland gefahren sei, mit Wirtschaftsführern gesprochen habe, war nur ein Versatzstück vom Mythos, Hitler habe die Macht über die Herzen und Köpfe aller Schichten des deutschen Volkes gewonnen. Auch die damalige Ansicht der Linken, die NS-Bewegung sei ein Geschöpf des Großkapitals und werde finanziell durch diese gestützt, entbehrte jeder soliden Grundlage. Die meisten führenden Wirtschaftsvertreter und -manager waren [...] klug genug, ihre Parteispenden, gewissermaßen als eine Art Rückversicherung, breit zu streuen. Das meiste Geld floß immer noch an die politischen Gegener der Nationalsozialisten, die Rechtskonservativen. Die Wirtschaftsbosse waren zwar keine Freunde der Demokratie, aber die meisten wollten keine nationalsozialistisch geführte Regierung."

Kershaw, Ian: Hitler 1889-1936, Stuttgart 1998, S. 451, Hervorhebung von mir.

Über das von Walter Ulbricht thematisierte Düsseldorfer Treffen Januar 1932 fasst Kershaw treffen zusammen:

"Hitlers mit großem publizistischem Aufwand begleitete Rede am 27. Januar 1932 im großen Ballsaal des Düsseldorfer Parkhotels vor etwa 650 Mitgliedern des dortigen Industrie-Klubs konnte, ungeachtet späterer Behauptungen der NS-Propaganda, die Skepsis der Wirtschaftsführer nicht abschwächen."

Ebd., S. 451

Diese Zusammenkunft wird häufig als "Kronzeuge" für die Unterstützung und den Aufstieg der NSDAP herangezogen. Allerdings muss man sowohl den historischen Kontext, gerade 1932, beachten als auch die Wirkung auf den Kreis der anwesenden Industriellen.

Der äußere Rahmen

Das Jahr 1932 war geprägt von politischer Gewalt.(3) Reichskanzler Brüning mußte außerdem die mannigfachen wirtschaftlichen Probleme in den Griff bekommen, was diverse staatliche Eingriffe in die Wirtschaft zur Folge hatte. 1931 beispielsweise wurde das Instrument der präsidialen Notverordnung genutzt zur Preissenkung um 10% bei allen von kartellähnlich festgesetzten Preisen, Zinssätze wurden ebenfalls gesenkt. So war die Furcht vor staatlichen Eingriffen verbreitet. Die MAßnahmen hinterließen anscheinend aber keine Wirkung, immer mehr Unternehmen senkten ihre Produktion. Um die Folgen der Wirtschaftskrise sozial abzufedern, stiegen die Staatsausgaben, die höhere Steuern zur Folge hatten.

Ende 1931 hatte schon ein Sozialdemokrat hier eine Rede gehalten, womit man von der Praxis abwich, keine Politiker als Gastredner einzuladen. Da insbesondere Thyssen gleiches Recht auch für andere Politiker geltend machte, wurde ein Sprecher der NSDAP eingeladen. Thyssen hatte Kontakte zu Strasser und hatte zunächst ihn im Auge. Thyssen setzte Hitler von seinen Plänen in Kenntnis, was dazu führte, dass Hitler selbst die Rede auf seinen eigenen Vorschlag hin übernommen hatte.

Der Auftritt wurde natürlich im Vorfeld publik, vor dem Hotel wurde demonstriert, das Hotel ließ die Rolläden herunter, um Schäden durch Wurfgeschossen zu verhindern.

Die Rede

Hitler sprach in etwa zweieinhalb Stunden. Hitler hielt sich wie so häufig mit Allgemeinplätzen auf, interpretierte Kapitalismus und Marktwirtschaft allerdings eher sozialdarwinistisch:

"Wie in früheren Reden vor vergleichbarem Publikum [...] ließ er seine Zuhörer über seine Ziele im unklaren. Er sprach das Wort 'Jude' kein einziges Mal aus, erwähnte das 25-Punkte-Programm seiner Partei mit keinem Wort und verbarg seine Pläne zur Eroberung von 'Lebensraum' in Rußland. Ein Großteil seiner Rede lief auf einen didaktischen Vortrag über die Determinanten menschlicher Existenz hinaus, die er mit Beispielen aus der Geschichte belegte. Ohne sich lange mit den Problemen von 1932 auseinanderzusetzen, legte er seine Auffassungen über das Primat der Politik und die Bedeutung der geistigen Verfassung eines Volkes dar."

Turner, Henry A.: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers, Berlin 1985, S. 261.

Die Skepsis überwog bei den rund 650 Anwesenden, die man nicht alle zu den Großindustriellen gehörten(4), es waren auch Vertreter des Mittelstandes dabei. Thyssen soll laut Augenzeugen sich damals hinter die Aussagen gestellt haben, sogar mit einem "Heil Hitler" soll Thyssen seine Erwiderung beendet haben. Die Presse beschrieb die Reaktionen der Anwesenden durchaus ambivalent, so gab es größere Zustimmung eher von jungen und bisher unbekannten Teilnehmern. Die "alten Hasen" dagegen erhofften sich mehr eindeutige Aussagen über die Wirtschaftspolitik.

Selbst unmittelbar nach der Machtergreifung waren die Bedenken bei Weitem nicht zerstreut. Zwar kam es zu einer Großspende in Höhe von drei Millionen Mark nach einem Treffen in Görings Amtssitz am 20. Februar 1933. Die Spende kam aber eher durch politische Erpressung zustande. Dort versammelten sich ca. 25 Industrielle auf Einladung Görings. Dem gingen nach der Ernnenung Hitlers zum Reichskanzler eine neue Welle der Gewalt voraus, das die Wirtschaftsvertreter tief beunruhigte neben den ersten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der neuen Regierung Hitler/Papen.(5)

"Nichts in den überlieferten Berichten der Teilnehmer deutet darauf hin, daß das Treffen lediglich eine Fortsetzung der üblichen Unterstützung für Hitler und seine Bewegung war. Vielmehr weist alles darauf hin,, daß die Zusammenkunft ein Meilenstein war: der erste bedeutsame materielle Beitrag von Organisationen der Großindustrie für die nationalsozialistische Sache. Dieser Beitrag half den Nationalsozialisten zweifellos, ihre Macht zu befestigen. Die Industriellen, die in Schachts Plan einwilligten, übernahmen damit einen Teil der Verantwortung für die Konsolidierung von Hitlers Regime, aber nicht für seine Schaffung."

Ebd., S. 396, Hervorhebung von mir.

Natürlich gab es nach der Machtübernahme immer wieder wirtschaftspolitische Maßnahmen, die auf Zustimmung stießen wie zum Beispiel Steuersenkungen usw. Diese Idee stammte tatsächlich von Autoherstellern, die Hitler aufgriff. Ebenso stießen auch weitere Ideen wie den Bau eines Volkswagen auf Wohlwollen.(6)

Man kann aber nicht davon sprechen, dass "die Industrie" oder gar die vier abgebildeten Personen KZs in Auftrag gegeben hätten zwecks Ausbeutung. Richtig ist natürlich, dass einige Industrielle die NSDAP gefördert haben, aber Parteispenden und Lobbyismus war damals wie heute üblich.  Selbstverständlich hatten Industrielle das selbe Interesse wie so viele Deutsche: Man wollte Ruhe haben. Richtig ist auch, dass Industrielle die Weimarer Republik eher ablehnten. Unstrittig ist, dass während des Nationalsozialismus Firmen von der Häftlingszwangsarbeit profitiert haben. Einen wie auch immer lautenden Auftrag erteilt zu haben, wie es in der Eingangstafel behauptet wird, ist allerdings vollkommen falsch.

Um den ganz links auf der Tafel Abgebildeten handelt es sich um den Industriellen Fritz Thyssen, der zunächst die NSDAP unterstützte. Komplett verschwiegen wird, dass er im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert war, allerdings unter sehr privilegierten Bedingungen. Er sagte sich vom Nationalsozialismus los, ging ins Exil in die Schweiz, wurde enteignet und ausgebürgert. Aufgrund persönlicher Umstände reiste er nach Südfrankreich. Dort begann er das Buch "I paid Hitler" zu schreiben. Fertig gestellt wurde es aber von seinem Herausgeber bzw. Ghostwriter, der ledigllich über Notizen verfügte, vielen Angaben, gerade auch über finanzielle Zuwendungen, sind falsch. Aber auch dieses Werk trug dazu bei, den Mythos der Schuld der Großindustrie am Aufstieg Hitlers zu nähren.(7)

Nachdem Frankreich von Deutschland besetzt wurde, hat man ihn vom kollaborierenden Vichy-Regime trotz anders lautender Zusagen nach Deutschland ausgeliefert. Schließlich wurde er nach Sachsenhausen gebracht, lebte unter Hausarrest in einem der vier sg. "Schuchschnigg-Häuser" an der Nordseite außerhalb des Lagerdreiecks. Mehr über Thyssen und diese Häuser erfahren Sie im Bereich des Sonderlagers/Zone II.

Die Bedeutung des Primats "Kapitalismuskritik" wird daran deutlich, dass der erste Raum eine "Vorgeschichte und Aufbau des Konzentrationslagers" bieten sollte. Außerdem wird diesem Ausstellungsteil im Vergleich zu anderen, siehe Lageplan, verhältnismäßig viel Platz geboten.

Nach diesem Auftakt setzt sich die Ausstellung fort mit dem KZ Sachsenhausen, sofort erkennbar am großen Lagermodell, das sich allerdings auf das Innere des Lagerdreiecks beschränkt zuzüglich des Industriehofes. Eine große Schautafel ist betitelt mit "Die Rüstungskonzerne und SS-Betriebe verdienten an der Ausbeutung der Häftlinge Millionen. Ins Auge stechen ein Foto mit aneinander gereihten Totenschädeln, die Herkunft des Fotos ist nicht genannt, es stammt jedenfalls nicht aus Sachsenhausen. Ebenso schon aufgrund der Größe ist eine sogenannte "Rentabilitätsrechnung" kaum zu übersehen:

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Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Im offiziellen Sachsenhausenführer, einer kleinen Broschüre, findet sich diese Rechnung in direktem Zusammenhang mit den vier Vertreten der Großindustrie. Dort heißt es ausdrücklich unter Nennung der bereits erwähnten vier Industriellen: "Das deutsche Monopolkapital - Auftraggeber des Mordes", gefolgt von Portraits der vier Industriellen. Eine Zeile darunter "Die SS -Vollstrecker und Henker, gefolgt von vier SS-Mitgliedern, erst Himmler als Reichsführer-SS, gefolgt von drei SS-Angehörigen der Kommandantur in Sachsenhausen (Baranowski, Sorge, Eccarius).:

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Quelle: Sachsenhausen, ohne Ort und ohne Jahr, Broschüre im Besitz des Verfassers

Letztendlich wird hier die SS (Himmler, Baranowski, Sorge, Eccarius) lediglich als Handlanger des Monopolkapitals (Flick, Krupp, Thyssen, Klöckner) angesehen. Die Morde wurden vom Monopolkapital in Auftrag gegeben, vollstreckt von der SS, sogar Himmler wurde in diese Reihe als bloßer Vollstrecker eingeordnet.

"Die Strategie der Kommunisten war äußerst erfolgreich: [...] Sie bestraften die oberen Nazi-Funktionäre und gewährten den Mitläufern Entlastung, indem sie sie zur Bewährung im neuen Staat aufforderten. Sie verlangten Mitarbeit am neuen Gemeinwesen, aber keine Selbstverantwortlichkeit und kamen damit der postnazistischen Mentalität entgegen. Sie delegierten einen großen Teil der Schuld an das 'kapitalistische Wirtschaftssystem' und seine Führer und unterstützten damit eine von vielen gehegte Auffassung, die Deutschen seien Opfer gewissenloser Kapitalisten geworden, die sich mit 'den Faschisten' verbündet hätten."

Grunenburg, Antonia: Antifaschismus - ein deutscher Mythos, Hamburg 1993, S. 132.

Über den Vertretern des sg. "Monopolkapitals" und deren Handlangern findet man in der Broschüre ebenfalls die schon erwähnte Rentabilitätsrechnung. Das Problem an dieser Aufrechnung ist allerdings, dass - so perfide diese Rechnung auch ist - man dieser keinerlei historische Bedeutung beimessen kann. Das Dokument trägt kein Datum, keine Unterschrift, wer es in welchem Kontext verfasst hat, ist gänzlich unbekannt. Auch die Annahme, dass ein Häftling nur 9 Monate leben soll, ist Unsinn. Auch sind nicht alle Häftlinge verliehen worden, sondern mußten auch "intern" für die SS selbst arbeiten. Viele Häftlinge gingen durch verschiedene Lager, deren Verbleib dort kann mit dieser Rechnung nicht erfasst werden. Außerdem gab es Häftlinge, die man fast sofort umbrachte wie die sowjet. Kriegsgefangenen. Viele wurden fast unmittelbar nach ihrer Ankunft umgebracht, konnten also nichts durch Zwangsarbeit erwirtschaften. Solche Morde würden, sofern sie Eingang in die Statistik gefunden haben, diese verfälschen. Schließlich stehen diverse zielgerichtete Mordaktionen an verschiedenen Häftlingsgruppen der gewünschten Rentabilität entgegen.

Trotz dieser sehr eindeutigen antikapitalistischen Stoßrichtung kritisierte Horst Sindermann die Ausstellung in einem Brief im Februar 1961, also zwei Monate vor der Eröffnung:

"Das war doch aber der Sinn des Konzentrationslagers. die Menschen, die sich der Herrschaft des deutschen Monopolkapitals widersetzten, mit Zwang ihrer Ausbeutung zu unterwerfen."

zitiert nach: zur Nieden, Susanne: Das Lagermuseum, in: Morsch, Günter: Von der Erinnerung zum Monument. Die Entstehungsgeschichte der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen (=Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Bd. 8), Berlin1996, S. 264-271, hier S. 267.

Nachdem man den Auftakt passiert hat, läuft man an einer Schauwand, betitelt mit "Himmler und seine Henker" vorbei und wird von Großfotos eines Zählappells in Empfang genommen. Die Schauwand trug den Titel "Das Gesicht des Antifaschisten". Woher das Foto stammte, wird nicht genannt. Auffällig ist, dass die abgebildeten Häftlinge noch nicht geschunden und gut ernährt aussehen. Problematisch ist nicht nur die beschönigende Darstellung "des" Antifaschisten, sondern vor allem das verwendete Singular. Abgesehen davon, dass sich Widerstand aus vielen Quellen speiste, wird durch das verwendete Singular das Verständnis des Antifaschismus der DDR suggeriert.

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Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Dieser Wand gegenüber gestellt ist eine Darstellung über die schlechte Verpflegung:

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Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Durch den vorgeschriebenen Weg ist der Betrachter gezwungen, erst das Bild des Antifaschisten zu sehen.

Aus Sachsenhausen wurden im weiteren Verlauf noch weitere Aspekte des Lageralltags erwähnt, jedoch sehr häufig ohne besondere Hintergrundinformationen, sondern eher plakativ. Um den Alltag zu veranschaulichen, sind auch Fotos aus anderen KZs unkommentiert gezeigt worden, beispielsweise aus dem KZ Buchenwald oder Auschwitz. Insbesondere wurde auf die Verwertung der Wertgegenstände und menschlichen Überbleibsel Rekurs genommen, um auch hier die Ausbeutung und Mord als Folge des Kapitalismus als Ursache hervorzuheben.

Ebenso ist es problematisch, dass letztlich alles auf "Tod" hinaus läuft. So wurde behauptet, dass das Krankenrevier für die meisten Häftlinge die letzte Station darstellen würde, was nachweislich falsch ist.

In der Geschichtsschreibung der DDR wurde immer von 100.000 Ermordeten in Sachsnehausen gesprochen von ca. 200.000 Häftlingen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Sterblichkeit in Sachsenhausen deutlich höher lag mit 50% als in vergleichbaren KZs. Wie diese Zahl zustande gekommen ist, ist unbekannt, mehrere Faktoren spielen eine Rolle:

Sowohl inhaltlich als auch sprachlich in der Wortwahl zeichnete sich die Ausstellung auch durch plakative Schwarz-Weiß-Malerei aus. Auf der Informationstafel zum Zellenbau heißt es:

"Im Zellenbau haben die faschistischen Kreaturen viele hervorragende Antifaschisten und Führer der internationalen Arbeiterbewegung ermordet. Hier fanden der ungarische Arbeiterführer Julius Alpari und der deutsche Antifaschist Theodor Winter den Tod. Zu den jahrelang im Zellenbau eingekerkerten Gefangenen gehörte auch Pastor Niemöller."

 

Der zitierte Kommentar befindet sich rechts unter dem Foto des Flures aus dem Zellenbau, für eine größere Abbildung klicken Sie bitte auf das Bild. Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Sprachlich fällt hier der Gegensatz von "faschistischen Kreaturen" und "hervorragenden Antifaschisten" auf. Eine ähnlich sehr abwertende Formulierung für NS-Täter wurde in der Ausstellung der ehemaligen Pathologie verwendet, dort wurden die Täter als "entmenscht" charakterisiert. Diese Wortwahl erfüllte aus Sicht der DDR eine wichtige Funktion. Die Bundesrepublik als faschistischen Nachfolgestaat konnte so besser als das absolut Böse propagiert werden, aber auch innenpolitisch wurde eine Funktion erfüllt: Abgesehen von der Kontraststeigerung zur DDR als das humane Deutschland durch Abwertung der Bundesrepublik fällt es im nahen Umfeld schwer, eventuell den Vorwurf machen zu können, eine NS-Vergangenheit zu haben, da es man es selten mit "entmenschten" Wesen oder "Kreaturen" zu tun hat. Je furchtbarer und grausamer die Täter charakterisiert werden, um so leichter fällt es, sich von ihnen zu distanzieren und somit sich selbst zu entlasten.

Zur Erinnerung: Bereits 1948 wurde die Entnazifizierung offiziell abgeschlossen, auch in der DDR gab es viele Mitläufer. Durch die Projektion, dass alle "bösen Nazis" sich in der Bundesrepublik aufhalten würden, gelang es in der DDR eher, eigene NS-Vergangenheiten und familiäre Verstrickungen mit dem NS zu verleugnen.

Inhaltlich ist zu kritisieren, dass trotz der üblen Haft im Zellenbau einige Häftlinge beispielsweise Martin Niemöller durchaus privilegiert behandelt worden sind durch angebotene Beschäftigung, bessere Versorgung mit Nahrungsmitteln usw.

Um den Besucher des Lagermuseums auf das aus Sicht der DDR wichtige Thema "antifaschistischer Widerstand" einzustimmen, befand sich außen eine Hinweistafel mit der Aufschrift: "Lagermuseum, ehemalige Lagerküche. Ausgangspunkt von Aktionen der internationalen Solidarität". Mit dieser Formulierung wurde suggeriert, dass die Küche eine "Zentrale des Widerstandes" sei. Dies ist falsch. Die Küche spielte keine besondere Bedeutung, die Überhöhung ist den Umstand zu verdanken, dass hier das Museum untergebracht wurde, somit es sinnvoll erschien, den historischen Ort mit der Aufgabe und dem Thema "Widerstand" zu verknüpfen.

Denn natürlich spielte auch das Thema "Widerstand" (Raum V) eine wichtige Rolle, diese nahm, im wahrsten Sinn des Wortes, einen breiten Raum ein. Es gab einerseits eine optisch ins Auge fallende Durchlichtwand mit der Darstellung verschiedener Widerstandsaktionen, die mit einem Gedicht Bertolt Brechts unterlegt werden:

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Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Dieser Raum war einer der wenigen hell erleuchteten, weswegen das Thema optisch eine besondere Betonung erfährt. An der anderen Seitenwand waren die Träger des Widerstandes in Sachsenhausens einzeln aufgeführt:

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Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Diese Schautafel war eine der wenigen, in denen Häftlinge namentlich erwähnt werden, aus einer anonymen Masse hervortreten. Allerdings wurde damit umgekehrt suggeriert, dass nur Kommunisten im KZ inhaftiert gewesen wären. Im Text ist u. a. zu lesen:

"Die Kommunisten, von ihrer Partei zu selbstlosen Kämpfern erzogen, organisierten und führten den Kampf. [...]. Aus Sachsenhausen entlassen, reihten sie sich erneut in die Front der Illegalen ein. Sie fielen für das neue, bessere Deutschland. [...] Neue Führer traten an die Stelle der Ermordeten. Mut, Standhaftigkeit, Klugheit und Menschenliebe befähigten sie, Zehntausende zu führen."

Zitiert nach ebd., S. 268, Auslassungen im Original.

Zwar fiel quantitativ auf inhaltlicher Ebene das Thema Widerstand etwas ab, allerdings muss man sich vor Augen führen, dass das sg. "Museum des Antifaschistischen Freiheitskampfes der europäischen Völker" das wesentliche Museum in der Gedenkstättenkonzeption darstellte. Im Lagermuseum wurde eher mit Symbolik und spartanischen Informationen gearbeitet beim Thema "Widerstand".

Dieser Raum ist der perfekte Übergang in die letzten beiden Abschnitte der Ausstellung, die DDR als das bessere Deutschland (Raum VIII) und die Darstellung der Bundesrepublik (Raum VII). In den 80er Jahren fügte man aber noch einen Abschnitt über den Todesmarsch ein, bevor man die beiden deutschen Staaten thematisierte.

Der Hintergrund der Schautafeln über die Bundesrepublik (Raum VII) war, ebenso wie der Ausstellungsteil über den Nationalsozialismus (mit Ausnahme des Widerstandes) in dunklen Farben gehalten mit schwarzen Hintergrund.

Natürlich durften Industrielle nicht fehlen (z. B. Flick und Abs oben rechts), aber insbesondere auch Globke (oben links), der die Nürnberger Rassegesetze kommentierte und unter Adenauer weiter Karriere machte. Hermann Josef Abs war in der Bundesrepublik ein wichtiger Bankier, er setzte sich schon früh ein für den Wiederaufbau der Bundesrepublik. Ab 1948 war er tätig für die Bank für Kreditwirtschaft und Wiederaufbau (KfW). Das Anprangern seiner Tätigkeit hier steht im Kontrast mit dem SMAD-Befehl 35/1948, der die Entnazifizierung abschloss mit dem Argument, dass sich alle anderen Verdient gemacht hätten um den Aufbau des Sozialismus. Hier wurde durchaus mit zweierlei Maß gemessen, auch in der DDR gab es höherrangige NS-Belastete, die in der DDR Karriere machten.

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Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

"Gestern Blutrichter im Dienste Hitlers - heute im Dienst Adenauers", so etwas hatte es in der DDR allerdings auch gegeben. Nur zwei Beispiele:

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Eine weitere Tafel, die die Bundesrepublik diffamierte und sogar von der Planung eines Atomkriegs sprach, Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Es liegt auf der Hand, dass auch in der DDR ehemalige Nationalsozialisten Karriere machen konnten, denn in beiden deutschen Staaten benötigte man Experten. Der relevante Unterschied zur Bundesrepublik ist, dass sich in der DDR in der obersten Führungsriege Kommunisten befunden hatten. Durch die Behauptung, dass die Bundesrepublik der faschistische Nachfolger sei, dort die "eigentlichen" Nazis weiter aktiv seien, fehlten in der DDR auch Anreize, sich um NS-Kontinuitäten Gedanken zu machen. Insofern war die DDR tatsächlich ein "antifaschistischer" Staat, indem man in der Öffentlichkeit davon ausging, dass es keine Kontinuitäten gab.

"Erster Aufschein des Niemandslandes zwischen Faschismus und Widerstandskampf. Paradox freilich auch diese Terra Inkognita. Betreten verboten auf einem Territorium, wo es doch von Menschen nur so wimmelte, von Menschen allerdings, deren Gesichter, deren Emotionen und Handlungen, deren Leben überhaupt unwirklich und diffus blieb. Ein '1968', wo man solche Fragen hätte öffentlich stellen können, gab es in der DDR nicht. Die Befragung der Väter fand nicht statt. Auch privat nicht."(6)

Diese Schautafeln lesen sich als Zusammenfassung der vom Ministerium für Staatssicherheit gesammelten Informationen und veröffentlichten Informationsbroschüren.(8)

Nachdem die Bundesrepublik propagandistisch diffamiert wurde, folgte abschließend die Darstellung der DDR als das bessere Deutschland in entsprechend hellerem Raum. Leitmotiv war folgendes Motto:

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Ein "E" hatte man anscheinend ursprünglich vergessen und nachträglich eingefügt... Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

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Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Die DDR präsentierte sich mit ihren Errungenschaften in Industrie und Kultur, die als Durchlichtinstallationen konzipiert waren. Dieser Raum und der Raum mit dem Thema "Widerstand" waren die einzigen Räume, die mit Sitzgelegenheiten ausgestattet waren (nachvollziehbar auf dem Lageplan oben). Auf dem Bild oben rechts und auf dem Bild unten auf der linken Seite ist Walter Ulbricht zu sehen, daneben ein Text:

"Die Deutsche Demokratische Republik - die Bastion des Friedens und des Fortschritts in ganz Deutschland. Unerschütterlich steht die DDR auf vorgeschobenen Posten gegen Militarismus und Imperialismus. Von ihr geht die nationale Wiedergeburt Deutschlands als einziger, friedlicher, demokratischer und fortschrittlicher Staat aus. Für Frieden und Wohlstand, für ein glückliches Leben des deutschen Volkes! Für das Glück aller Völker der Welt!"

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Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

 

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Bildnachweis: Foto aus der Ausstellung im "Lagermuseum" (1961)" CC BY-NC-SA Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Letztlich konnten sich hier die Ausstellungsmacher vollends verwirklichen, die für das "Museum des antifaschistischen Freiheitskampfes der Völker" nur eingeschränkt tätig werden konnten, zumal man dort sich mit deutlich weniger Ausstellungsfläche begnügen musste. Im zentralen Lagermuseum wurden die Thesen im Eingangsmuseum erneut aufgegriffen und ausführlicher dargestellt. Vor allem konnten die zentralen Thesen hier mit der Lagergeschichte verknüpft werden.

Insgesamt muss konstatiert werden, dass mit dieser Ausstellung kaum über die historischen Ereignisse berichtet wurde. In erster Linie wurden die historischen Ereignisse, das Leid der Menschen, instrumentalisiert, um die DDR als den besseren Staat darzustellen. Mit Geschichtsschreibung im Sinne einer authentischen Darstellung historischer Ereignisse hat diese Ausstellung nichts zu tun gehabt.

 

(1) Vgl. Kershaw, Ian: Hitler 1886-1936, Stuttgart 1998, S. 450.

(2) Ebd.

(3) Vgl. Zerback, Ralf: Triumph der Gewalt. Drei deutsche Jahre 1932-1934, Stuttgart 2022. Zu den Ausführungen über die Rede vgl. ausführlich Turner, Henry A.: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers, Berlin 1985, S. 259ff.

(3) Ebd., S. 570f.

(4) Turner, Henry A.: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers, Berlin 1985, S. 264f.

(5) vgl. ebd., S. 393ff.

(5) Vgl. Turner, Henry Ashby jr.: Fritz Thyssen und "I paid Hitler", in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 19. Jhg., Heft 3/1971, S. 225-244.

(6) Vgl. Kappelt, Olaf: Die Entnazifizierung in der SBZ sowie die Rolle und der Einfluß ehemaliger Nationalsozialisten in der DDR als soziologisches Phänomen, Hamburg 1997, S. 124ff Vgl. auch Leide, Henry: NS-Verbrecher und Staatssicherheit. Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR, Göttingen 2005

(7) Bialas, Wolfgang: Antifaschismus in der DDR – historisch-kritische Aufräumarbeiten, in: Das Argument, 35. Jhg., Heft 4/1993 (Nr. 200), S. 562.

(8) Vgl. ausführlich das Kapitel "Kampagnen und Prozesse 1958 bis 1968 bei Leide, Henry: NS-Verbrecher und Staatssicherheit. Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR, Göttingen 2005, S. 73-85